Porträt der Stifterin

Das folgende Porträt der Stifterin Susann Haltermann entstammt dem Buch von Vera Bloemer „Stifterinnen. Frauen erzählen von ihrem Engagement – ein Lesebuch“. Das im September 2010 erschienene Werk kann beim Bundesverband Deutscher Stiftungen bestellt werden.


Keine gentechnik auf Acker und teller!

Für eine biologisch vielfältige, sichere und nachhaltige Welt: Susann Haltermann und die Stiftung GEKKO

Man kann sein Erbe ausschlagen, durchbringen, verdrängen. Oder man kann es annehmen und etwas Sinnvolles aus ihm machen – so wie Susann Haltermann. „Aus dem Verkauf unseres Familienunternehmens habe ich als Erbe mehr bekommen, als ich zum Leben brauche“, sagt sie. Das Hamburger Unternehmen Johann Haltermann war 1898 gegründet worden, hatte mit der Erdölverarbeitung eine attraktive Marktstellung erlangt und war 2001 an einen amerikanischen Chemiekonzern verkauft worden. „Es hat einige Zeit gebraucht, bis ich dieses Erbe annehmen konnte“, beschreibt Susann Haltermann ihre Auseinandersetzung mit der Herkunft des ihr zugefallenen Vermögens.

Bereits während ihres Studiums der Biologie hatte sie oft für Umweltthemen gespendet und auf diese Weise erste Erfahrungen als Spenderin machen können. Nach dem Studium lebte Susann Haltermann ein Jahr in den USA und arbeitete dann als Gymnasiallehrerin in Hamburg. Eine schwere Krankheit führte zu einer beruflichen Neuorientierung. Susann Haltermann studierte Veranstaltungsmanagement und baute mit einer Partnerin eine erfolgreiche – inzwischen abgegebene – Eventagentur auf. „Hier war Organisationstalent gefragt, das mir bei meiner späteren Stiftungsarbeit zugutekommen sollte.“ Das ursprüngliche Interesse an Umweltthemen war zwar geblieben, rückte jedoch in der Gymnasialzeit und beim Aufbau der neuen Veranstaltungsagentur zwangsläufig in den Hintergrund.

„Lehrjahre“ in der Bewegungsstiftung

Eine Freundin machte Susann Haltermann auf die Bewegungsstiftung aufmerksam. „Ich lernte die Initiatoren kennen, die selbst viele Jahre in sozialen Bewegungen aktiv waren. Sie hatten ein faszinierendes neues Konzept für eine Gemeinschaftsstiftung entwickelt“, erzählt sie. Die Bewegungsstiftung spricht Menschen an, die mit ihrem Vermögen einen gesellschaftlichen Wandel hin zu einer gerechteren, friedlicheren, ökologischeren und gleichberechtigteren Welt bewirken wollen. Mit Zuschüssen und Beratung hilft die Bewegungsstiftung sozialen Bewegungen, erfolgreiche Kampagnen durchzuführen. Susann Haltermann gehört 2002 zu den elf Gründern der Stiftung, wurde gleich zur Vertreterin der Stifter in den Stiftungsrat und zum Mitglied der erweiterten Geschäftsführung berufen. „Die ehrenamtliche Arbeit in der Stiftung und das politische Umfeld boten mir eine Möglichkeit, mich selbst und meine eigenen Interessen besser und anders kennenzulernen.“ Ihrem fachlichen Schwerpunkt entsprechend engagierte sich Susann Haltermann neben der Gremientätigkeit vor allem im Bereich Veranstaltungsorganisation und Fundraising.

Eine Welt ohne Gentechnik – die Vision der Stiftung GEKKO

„Die breite Palette der Projekte hat mich angesprochen, und ich habe in dieser Zeit viel gelernt über die Arbeit von Stiftungen und sozialen Bewegungen“, so Susann Haltermann rückblickend auf ihre ersten Jahre als Mit-Stifterin. Um sich jedoch noch stärker als bisher ihrem Hauptanliegen, dem Umweltschutz, zuwenden zu können, beschloss Susann Haltermann nach fünf Jahren ehrenamtlicher Arbeit in der Bewegungsstiftung die Gründung einer eigenen Umweltstiftung. „Ich wollte selbst gestalten und in dem Bereich meine Ideen umsetzen, der mir als Biologin besonders nahesteht, den ich aber auch gesamtgesellschaftlich für besonders relevant erachte. Das ist das Thema Gentechnik in der Landwirtschaft und in Lebensmitteln.“ So kam es 2008 zur Gründung der Stiftung GEKKO. Der Bewegungsstiftung bleibt Susann Haltermann jedoch weiter verbunden und ist dort auch heute noch aktiv in der Projektbegleitung.

Stiftung GEKKO – der Name ist Programm und steht für „Gentechnik kontrollieren“. Das ist zwar nur ein Aspekt der Stiftungsarbeit, aber der Name ist kurz und einprägsam. Und den Tiernamen Gecko mit dem einer Umweltstiftung zu verbinden, schien der Stifterin ebenfalls passend zu sein.

„Ich persönlich halte die Anwendung der Gentechnik in Landwirtschaft und Ernährung für nicht verantwortbar – weder in sozialer und ökonomischer Hinsicht, noch unter ökologischen und gesundheitlichen Aspekten“, bekennt Susann Haltermann. „Viele kritische Wissenschaftler bestärken mich in dieser Auffassung.“ Ziel der Stiftung GEKKO ist es daher, mit dazu beizutragen, dass die Einführung und Verbreitung genmanipulierter Pflanzen, Tiere und deren Produkte in Europa und auch weltweit gestoppt und verhindert werden. „Andernfalls ist für uns Bürger die Wahlfreiheit gefährdet, weil die gentechnisch veränderten Produkte sich unkontrolliert weiter ausbreiten und es dadurch auf Dauer keine gentechnikfreien Lebensmittel und keine gentechnikfreie Natur mehr geben wird“, erklärt die Stifterin ihre Motivation.

Mit dieser kritischen Einschätzung stehen Susann Haltermann und ihre Stiftung nicht allein: Immerhin 70 Prozent der Deutschen lehnen Gentechnik aus den genannten Gründen ab. Und dass die Gentechnik dazu beitragen könne, den Hunger auf der Welt zu mindern, hält die Stifterin für reine Propaganda von Industrie und Politik, um die Akzeptanz dieser Risikotechnologie in der Bevölkerung zu erhöhen: „Studien wie der 2008 veröffentlichte Weltagrarbericht (IASSTD), an dem über 400 Wissenschaftler im Auftrag von Weltbank und UNO gearbeitet haben, zeigen eindeutig, dass der Hunger auf der Welt durch die Förderung ökologischer und bäuerlicher Wirtschaftsweisen bekämpft werden muss – und nicht durch eine weitere Industrialisierung der Landwirtschaft.“

Klein und wendig

Die Stiftungsgründung dauerte drei Monate. Gewählt hat die Stifterin die Rechtsform einer unselbstständigen Stiftung. Der Vorteil daran ist, dass sie von einem Treuhänder verwaltet wird und der Verwaltungsaufwand geringer ist als bei einer selbstständigen Stiftung bürgerlichen Rechts, was Susann Haltermann wichtig ist: „So konnte ich gleich anfangen und loslegen. Mir lag an einer schlanken Struktur mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand.“ Aus diesem Grund kam auch ein Verein nicht infrage. Als beratendes Mitglied des Beirats unterstützt Dr. Manuel Schneider die Stifterin in wichtigen Fragen wie Strategieentwicklung und Förderentscheidungen. Die für jede Stiftung notwendige Vernetzung mit anderen Institutionen und Personen erfolgt je nach Bedarf.

Wichtig ist es Susann Haltermann in den ersten Jahren der Stiftungsarbeit, zunächst das Profil der Stiftung GEKKO weiter zu schärfen und eine eigene Förderpraxis zu entwickeln, um später auch zusätzliche Mittel über Zustiftungen und Spenden einzuwerben. Die Stiftung versteht sich als reine Förderstiftung, das heißt, sie entwickelt keine eigenen Projekte, sondern finanziert Vorhaben Dritter. Dennoch ist die Möglich keit einer Antragstellung nicht vorgesehen, um nicht eine Flut von Anfragen auszulösen. Vielmehr geht Susann Haltermann aktiv auf mögliche Projekte und Kampagnen zu. „Aus Gesprächen und aus dem Netzwerk der Aktiven finden sich immer wieder interessante Projekte, die mit den Zielen von GEKKO übereinstimmen und auch finanziell zu uns passen. Aus diesem Vorgehen wird zudem ersichtlich, dass wir uns als Stiftung weniger als Geldgeber denn als Partner unserer Projektnehmer verstehen.“

Kontakte und Austausch sind der Stifterin daher besonders wichtig. Das waren im Rahmen der Gründung zunächst Gespräche mit Stiftungsexperten. Nach der Gründung hat Susann Haltermann dann an verschiedenen Tagungen, Workshops und Seminaren zur Gentechnik teilgenommen, um Kontakte zu knüpfen und um sich zu informieren. Dadurch wurde die Stiftung allmählich bekannter. „Es reicht mir nicht, Geld zu geben, ich möchte die Projekte und Akteure auch kennenlernen, Menschen und Themen vernetzen.“ Vor allem diese inhaltliche Vernetzung und die persönlichen Kontakte helfen der Stifterin bei der Entscheidung, wo sich die Stiftung am effektivsten einbringen kann. „Dabei treffe ich inspirierende Menschen, die nicht nur über ein großes Wissen verfügen, sondern sich auch einer gesellschaftlichen Aufgabe voll und ganz verschrieben haben. Mir gefällt und mich beeindruckt, wie sie andere überzeugen, etwas verändern, eine Ausstrahlung haben, an etwas glauben, beharrlich weiterarbeiten, engagiert sind und vor allem: nicht aufgeben.“

Gut vernetzt und vielfältig engagiert

Ein besonderer Förderschwerpunkt der Stiftung GEKKO ist die unabhängige Risikoforschung. „Die Risiken genmanipulierter Pflanzen sind längst nicht hinreichend erforscht. Die meisten Studien stammen von der Industrie oder sind mit industrienahen Geldern finanziert worden“, so die Stifterin. Durch die Förderung unabhängiger Wissenschaftler, wie sie sich etwa in dem Verein TestBioTech e.V. – Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie zusammengefunden haben, versucht die Stiftung GEKKO die Erforschung der ökologischen wie sozialen Folgen der Agro-Gentechnik zu unterstützen. Hierbei sind vor allem innovative Projekte gefragt. So engagiert sich die Stiftung GEKKO für eines der ersten kritischen Forschungs- und Kampagnenvorhaben, das sich mit den Auswirkungen befasst, die genmanipulierte Bäume auf die Umwelt haben – ein hochbrisantes Thema, das in der Öffentlichkeit bislang kaum Beachtung findet. Neben der Forschung fördert GEKKO politische Kampagnen sowie Bildungsvorhaben. Im Bildungsbereich wird z.B. ein Projekt unterstützt, in dem – zusammen mit Lehrern Unterrichtsmaterialien über den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft erstellt werden, die dann später auch im Internet abrufbar sein sollen. Ein Kampagnenthema, das die Stiftung GEKKO gemeinsam mit einer anderen Umweltstiftung unterstützt, ist die Kritik an der zunehmenden Nutzung von Nahrungspflanzen für die Gewinnung von Agro-Kraftstoffen.

Kleines Stiftungsvermögen – viele Förderprojekte

Nach eineinhalb Jahren Arbeit bereits 31 geförderte Projekte – das kann sich sehen lassen. Susann Haltermann erinnert sich: „Nach der formellen Stiftungsgründung saß ich die erste Woche allein in dem kleinen Büro und dachte: Was kommt nun? Mittlerweile muss ichGrenzen ziehen, denn es kommen viele interessante Themen und Projekte, die ich mit meiner kleinen Stiftung gar nicht alle berücksichtigen kann. Zudem muss ich schauen, dass ich mich nicht verzettele und dass noch genug Zeit für den konzeptionellen Aufbau der Stiftung bleibt.“

Das Stiftungsvermögen von GEKKO ist mit 30.000 Euro eher bescheiden. Dennoch agiert die Stiftung mittlerweile wie eine mittelgroße Stiftung. Statt ein solches Vermögen erst aufzubauen und dann aus den Erträgen die Projekte zu finanzieren, hat Susann Haltermann einen anderen Weg gewählt: Sie spendet jährlich für die Projektarbeit in ihre eigene Stiftung. „Das Stiftungsthema Gentechnik ist derzeit hochaktuell, die Gelder werden heute gebraucht und nicht erst in ein paar Jahren. Deshalb gebe ich regelmäßig eine große Summe als Spende in die Stiftung.“ Susann Haltermann hat damit eine elegante Lösung gefunden, um rasch und flexibel in nennenswertem Umfang aktiv werden zu können und zugleich die Vorteile einer soliden, nachhaltigen und vertrauenswürdigen Rechtsform als Stiftung zu nutzen – dies nicht zuletzt auch im Hinblick auf mögliche Spender und Zustifter.

Endlich angekommen

„Ich bin angekommen“, resümiert die Stifterin, „habe eine Form des selbstbestimmten Arbeitens gefunden, bei der Umweltthemen dominieren. So kann ich mir die Arbeit einteilen, und es bleibt auch Zeit für meinen Mann, meine Freunde und meine Hobbys.“ Ererbtes Geld für einen sinnvollen Zweck auszugeben und mit diesem Geld umweltpolitischen und sozialen Wandel anzustoßen – das war der Gründungsimpuls für Susann Haltermann und ihre noch junge Stiftung GEKKO. „Durch die Stiftungsarbeit bin ich ein viel politischerer Mensch geworden, und die Stiftung verändert mich weiter. Es ist ein stimmiger Prozess, der in mein Leben integriert ist. Die Stiftung GEKKO hat eine zentrale Bedeutung in meinem Leben: Ich kann mich für ein Thema engagieren, das mir wichtig ist. Das macht Freude und natürlich hoffe ich, dass durch die Arbeit der Stiftung das Ziel einer gentechnikfreien Landwirtschaft ein Stück näher rückt.“